Das länderübergreifende Naturschutzgebiet Marienfließ war von 1945 bis 1992 ein Truppenübungsplatz der sowjetischen Armee. Durch den militärischen Übungsbetrieb und weil die Fläche nachweislich mehr als 60 Jahre weder gedüngt noch begiftet wurde, entstand eine großflächige, einsame, nährstoffarme und insektenreiche Offenlandschaft mit Sandmagerrasen und Zwergstrauchheiden. Dieser selten gewordene karge Lebensraum ist ideal für Tier- und Pflanzenarten, die an Trockenheit und Hitze angepasst sind.
Das Marienfließ liegt ca. 15 km südwestlich von Plau am See, hat eine Größe von 1.824 ha und setzt sich aus Flächen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zusammen. Das Landschaftsbild wird bestimmt von großflächigen Heideoffenlandschaften und Kiefernbeständen. Wertgebende Kriterien des Gebietes sind Großflächigkeit, Nährstoffarmut, Abgeschiedenheit, Biotopvielfalt mit unterschiedlichen Sukzessionsstadien und der Reichtum an heidetypischen Pflanzen- und Tierarten, viele davon gefährdet.
Zahlreiche, heute meist seltene, Pflanzen haben sich auf die extremen Bedingungen in der Heide eingestellt. Tiefe Wurzeln, Pilzsymbiosen und Verdunstungsschutz durch schuppenförmige oder behaarte Blätter machen sie widerstandsfähig. Dazu zählen z. B. Besenheide (Calluna vulgaris), Besen-Ginster (Cytisus scoparius), Gemeine Grasnelke (Armeria maritima), Berg-Sandköpfchen (Jasione montana), Sand-Strohblume (Galeopsis ladanum), Sand-Thymian (Thymus serpyllum), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella), Gemeines Ferkelkraut (Hypochaeris radicata), Hasen-Klee (Trifolium arvense) und Steifer Augentrost (Euphrasia stricta).
Der Blütenreichtum im Marienfließ lockt zahlreiche Insekten und Spinnen an. Die lückige Vegetation bietet im Boden nistenden Insekten einen Lebensraum. Im Marienfließ sind z. B. zu finden: Schwarzblauer Ölkäfer (Meloepro scrabaeus), Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) und Feldgrille (Gryllus campestris). Für die Schmetterlinge in Mecklenburg-Vorpommern ist das Marienfließ von besonderer Bedeutung. Bisher wurden hier 733 Schmetterlingsarten nachgewiesen (ca. 30% aller Schmetterlingsarten des Landes), darunter z. B. Trauermantel (Nymphalis antiopa), Kleines Nachtpfauenauge (Saturnia pavonia) und Queckenspinner (Malacosoma franconica). Zudem wurden bisher 343 Spinnenarten nachgewiesen (fast 50 % aller Spinnenarten des Landes MV) wie z. B. die Rote Röhrenspinne (Eresus kollari) und der Ammendornfinger (Cheiracanthium punktorium). Der Steppen-Sichelspinger (Evarcha michailovi) hat hier einen seiner zwei Vorkommenorte in Deutschland!
Insekten und Spinnen bieten ihrerseits Nahrung für bedrohte, heidetypische Vögel wie Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus), Heidelerche (Lullula arborea), Neuntöter (Lanius collurio), Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola) oder Wiedehopf (Upupa epops).
Auch der Wolf (Canis lupus) kommt in dem großen, unzerschnittenen Gebiet vor.
Das Marienfließ wurde von 1945-1991 als sowjetischer Truppenübungsplatz genutzt. Es war Übungsgelände sowohl für Panzer und Luftstreitkräfte als auch für Schießübungen am Boden. Dementsprechend ist das Marienfließ stark mit Munition belastet. Nach Abzug des Militärs 1991 fand zunächst eine oberflächliche Munitionsberäumung statt. Es folgten größere Munitionsbergungen und –sprengungen von 1995-2020. Trotz enormen finanziellen und technischen Aufwands konnten bisher nicht alle Flächen beräumt werden und gekennzeichnete Teilgebiete dürfen weiterhin nicht betreten werden.
Das Marienfließ wurde 1996 als Naturschutzgebiet festgesetzt. Es ist zudem Teil zweier Europäischer Vogelschutzgebiete. 2003 wurde es wegen des großflächigen Vorkommens des Lebensraumtyps (LRT) 4030 „Trockene europäische Heide“ als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) ausgewiesen. 2014-16 wurden FFH-Managementpläne zum Erhalt der Heide im Marienfließ aufgestellt, deren Maßnahmen kontinuierlich umgesetzt werden. Die Flächen des Marienfließ liegen im Eigentum des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der DBU-Naturerbe GmbH und der Blauwald GmbH.
Um die Heide und ihre Artenvielfalt zu sichern und eine Wiederbewaldung der offenen Landschaft zu unterbinden, bedarf es ständiger Pflegeeingriffe durch den Menschen. Was über 40 Jahre lang die Panzer erledigt haben, wird jetzt durch Gehölzentnahme, kontrolliertes Feuer und Beweidung bewerkstelligt.
Einen Ausflug in das Marienfließ startest Du am besten in Retzow, einem Ortsteil der Gemeinde Ganzlin (PLZ 19395). Dort ist in südlicher Richtung ein befahrbarer Feldweg ausgeschildert, der an einem Waldparkplatz endet. Dann sind es nur noch wenige Meter zu Fuß bis in die Heide, die hier mit einem Picknickplatz und einem Naturlehrpfad ausgestattet ist.